MÜNSTER! Magazin

Die Künstlerin Nolwenn Chouinard bei der Arbeit, hier an der Druckpresse. Foto: Nina Lenze

N°134


Poetische Architekturen

Ein Akkordeon auf dem Prinzipalmarkt, der Aasee in den Händen eines Jongleurs, ein tanzendes Haus Nonhoff: Die filigranen Radierungen von Nolwenn Chouinard sind  lebendig, ziemlich verspielt und von Donnerstag, 11. April, bis Mitte Juni in der Raphaelsklinik zu sehen.  

Text nina lenze


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„Prinzipalmarkt Mélodie“, Radierung von Nowlenn Chouinard auf Büttenpapier.

Nolwenn Chouinard stammt ursprünglich aus der Bretagne, lebt aber mittlerweile seit 18 Jahren in Münster. Seit einiger Zeit konzentriert sich die gelernte Grafikerin vermehrt auf ihre eigene künstlerische Arbeit. Ihr Schwerpunkt sind Radierungen. Insbesondere die münsterschen Plätze und Architekturen haben es ihr angetan. Ab Donnerstag, 11. April, werden unter dem Titel Cher Münster in der Raphaelsklinik Nolwenn Chouinards feine Radierungen von verspielten Architekturen präsentiert, in denen ihre Liebe zur Stadt zum Ausdruck kommt. 

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Ideensammlung und Vorzeichnung finden im Atelier an der Hafenstraße statt. Gedruckt wird anschließend am Hawerkamp. Fotos: Nina Lenze

Mit Architektur groß geworden 

„Münster ist eine tolle Stadt, mit vielen besonderen Orten und Gebäuden“, schwärmt die Künstlerin. Die Stadt ist der Ausgangspunkt für ihre Radierungen, die frei und lebendig sind und surrealistisch anmuten. Nolwenn Chouinard stammt aus einer Architektenfamilie in dritter Generation. „Mein Vater war Chefarchitekt für historische Denkmäler und hat uns von klein auf für die Besonderheit von Architektur sensibilisiert“, erzählt sie. „Mich haben aber immer mehr die Geheimnisse und Geschichten interessiert, die sich hinter den Gebäuden verbergen.“ Nach dem Grafik-Design-Studium in Rennes und in Paris an der École Supérieure des Arts et Industries ging Nolwenn Chouinard für ein Freiwilliges Soziales Jahr nach Irland, wo sie ihren späteren Mann kennenlernte. 2006 zogen sie zusammen nach Münster. Eine Zeitlang arbeitete sie in einer Werbeagentur und gab nebenbei Workshops für Kinder und Erwachsene in der Malwerkstatt, deren Leitung sie 2017 übernahm. Da diese pandemiebedingt schließen musste, rückte ihre eigene künstlerische Arbeit wieder in den Fokus. „Fast eine glückliche Wendung, da ich mich so voll und ganz auf meine Kunst konzentrieren konnte.“

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„Glockenspiel der Weltzeituhr“, eine Radierung des Hauses Nonhoff von Nolwenn Chouinard auf Büttenpapier. 

Neue Wege 

2022 bezog Nolwenn Chouinard dann ein Atelier an der Hafenstraße. Ein echter Glücksfall, da es viele Anwärter gibt. Hier arbeitet sie zusammen mit 18 weiteren Kreativen, meist aus dem Graphik- und Illustrationsbereich. Ihren eigenen Atelierraum teilt sie mit Christine Nippoldt und Christiane Leesker. „Die Gemeinschaft unter uns allen ist absolut gewinnbringend, der Austausch inspirierend“, so die Künstlerin. Nach wie vor gibt es zwei Schreibtische. Einen für ihre Arbeit als freiberufliche Grafikerin, einen für die Kunst. Nach anfänglichen Malerei- und Tuschearbeiten mit Schwerpunkt Porträt befasst sie sich momentan fast ausschließlich mit Radierungen. „Diese Drucktechnik hat mich immer besonders fasziniert.“ Es begann mit einem Kurs beim Künstler Peter Kirschner, einem Spezialisten auf dem Gebiet des grafischen Tiefdruckverfahrens. Mittlerweile ist er eine Art Mentor für sie geworden, der sie einen Teil seines Ateliers am Hawerkamp sowie seine Druckpresse mitbenutzen lässt. 

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Die fertigen Platten werden mit Farbe bestrichen und dann in die Presse gegeben. Foto: Nina Lenze

Auf der Suche nach dem Wesen der Dinge 

Nolwenn Chouinards Radierungen erzählen von einer fantastischen Welt. Ihre verspielten Szenen mit traumähnlichem Charakter wecken viele Assoziationen. Indem sie prominenten Bauwerken und Orten Arme und Beine wachsen lässt und sie gleichsam in Bewegung versetzt, haucht sie ihnen Leben ein. Wie zum Beispiel beim Glockenturm von Haus Nonhoff („Glockenspiel der Weltzeituhr“,) Münsters bekannter Weltzeituhr mit Figurenumgang an der Rothenburg, den sie durch ihre Darstellung mit erhobenen Armen mit zartroten Schleiern und schwingenden goldenen Glocken tanzen lässt und somit die besondere Aura des Hauses herausstellt. Der Grundton aller Radierungen ist schwarz-weiß. Manchmal gibt es einzelne farbige Akzente, manchmal ist ein Großteil der Motive eingefärbt. Der Prinzipalmarkt hat Nolwenn Chouinard gleich zu mehreren Darstellungen inspiriert: Auf einem Bild ist der Straßenzug in Form eines Akkordeons angeordnet, gehalten von zwei auf der Tastatur spielenden Händen. Auf einem anderen krönt er den Kopf eines Jungen, der den Finger geheimnisvoll an seine Lippen legt. Mit der Symbolisierung des Wahrzeichens der Stadt als Krone unterstreicht die Künstlerin ihre Wertschätzung des Ortes. Auch Märchen werden herangezogen, etwa beim gestiefelten, ehemaligen Café Kleimann („Das gestiefelte Giebelhaus“), das zusätzlich einen Regenschirm trägt, was einen als BetrachterIn unwillkürlich schmunzeln lässt. Stellenweise nimmt die Künstlerin Dekontextualisierungen, also eine Herausnahme aus dem eigentlichen Zusammenhang, vor:  So liegt etwa der Aasee in den Händen eines Jongleurs, der die berühmten Giant Pool Balls von Claes Oldenburg locker durch die Luft wirbelt, wodurch die Grenze zwischen Mensch und Natur aufgeboben ist. 

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„Das gestiefelte Giebelhaus“ spielt auf das bekannte Märchen und die vielen Regenstunden der Stadt an. Radierung: Nolwenn Chouinard

Künstlerischer Prozess 

„Ich gehe grundsätzlich mit offenen Augen durch die Welt“, so Nolwenn Chouinard. Das Skizzenbuch ist ein ständiger Begleiter. Hier werden unzählige Ideen gesammelt, aus denen sich nach und nach Motive heraus­kristallisieren. Außerdem dienen Fotos als Vorlage. Allerdings weniger zur detailgetreuen Wider­gabe, als vielmehr zur Orientierung für ihre eigenen Interpretationen. Die Entwicklung und Vorzeichnung der Motive geschieht in ihrem Atelier in der Hafenstraße, die druckgraphische Umsetzung erfolgt am Hawerkamp. Nolwenn Chouinard arbeitet mit der Technik der Kaltnadelradierung. Dabei zeichnet sie mit verschiedenen Radierwerkzeugen wie Radiernadel, Stichel, Messer und Schere seitenverkehrt auf eine Platte aus Metall, Plexiglas oder Tetrapack. Eine ruhige, fast meditative Arbeit, wie sie findet. Im Atelier am Hawerkamp wird die fertige Platte erst mit Farbe bestrichen und dann wieder blank gewischt, so dass die Farbe nur in den Vertiefungen haften bleibt. Hier braucht es Kraft und einen Malerkittel, da Farbe und Druckerschwärze überall eindringen. Durch das Einlegen in die Presse wird das Motiv schließlich seitenrichtig auf Papier gedruckt. Typisch für diese Art von Drucken sind feine Linien, atmosphärische Hell-
Dunkel-Partien und nuancierte Schattierungen. 

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Meist druckt Nolwenn Chouinard die Motive mehrmals, mitunter auch farblich abweichend. Nur die besten schaffen es in die Ausstellung. Foto: Nina Lenze

Bisherige Einzel- und Gruppenausstellungen 

Nolwenn Chouinards Arbeiten wurden bereits in verschiedenen Ausstellungen gezeigt, etwa im Institut Français in Düsseldorf, in Münster in der Galerie Goeken und im Kunsthandel Schlächter. Bis Anfang April hängen drei ihrer Radierungen in einer Gruppenausstellung in der Erphokirche. Die Ausstellung Cher Münster wird am Donnerstag, dem 11. April, um 19 Uhr in der Raphaelsklinik von Peter Kirschner eröffnet und von einem Konzert vom französischen Chansonnier Jean-Claude Séférian begleitet. Unter den Gästen ist auch Richie Alexander, der seinen Song über Münster zum Besten geben will! 

ateliershafenstrasse.de
latelier.kontakt@gmail.com
 

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Nolwenn Chouinard, Cher Münster  

Donnerstag, 11. April, bis Sonntag, 16. Juni 
Eröffnung: Donnerstag, 11. April, 19 Uhr
Gastrede: Peter Kirschner Musik: Jean-Claude Séférian
Raphaelsklinik Münster